Erstellung von Sicherheitsdatenblättern (SDB) – Teil 5

Besondere Fälle und bewährte Praktiken

MSDS-EuropeSicherheitsdatenblatt Wissensbasis – Erstellung von Sicherheitsdatenblättern (SDB) Teil 5: Besondere Fälle und bewährte Praktiken

 

In den vorigen Teilen dieser Serie haben wir Schritt für Schritt dargestellt, wie man ein Sicherheitsdatenblatt erstellt und welche Informationen jeder Abschnitt des SDB enthalten muss.

Abschließend betrachten wir nun einige zusätzliche Aspekte und Sonderfälle, die bei der Erstellung und Verwendung von SDB auftreten können.

Wir gehen auf Expositionsszenarien (Anhang zum SDB), die Aktualität von SDB sowie typische Fehler ein, die es zu vermeiden gilt. Außerdem geben wir Ratschläge, wie SDB effektiv genutzt werden können, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern, und welche Unterstützung man nutzen kann, wenn Unsicherheiten bestehen.

(Denken Sie daran, dass die ausführliche offizielle „Leitlinien zur Erstellung von Sicherheitsdatenblättern“ weitere Erläuterungen zu diesen Themen bietet – sie ist auf der ECHA-Website verfügbar.)

 

Expositionsszenarien und erweiterte SDB

Wenn ein Stoff bestimmte gefährliche Eigenschaften aufweist und in großen Mengen hergestellt oder importiert wird, kann die REACH-Verordnung die Entwicklung eines Expositionsszenarios (ES) erforderlich machen.

Ein Expositionsszenario ist ein ergänzendes Dokument, das beschreibt, wie der Stoff während seines gesamten Lebenszyklus (von der Herstellung über die Verwendung bis zur Entsorgung) sicher verwendet werden kann. Wird für einen Stoff ein Expositionsszenario erstellt, muss sein SDB mit den relevanten Informationen ergänzt werden – in diesem Fall spricht man von einem „erweiterten Sicherheitsdatenblatt“ (oft als extended SDS, ext-SDS bezeichnet). In der Praxis bedeutet dies, dass die Expositionsszenarien dem SDB als Anhänge beigefügt oder in Abschnitt 16 darauf verwiesen wird.

 

Was bedeutet das für den Anwender?

Wenn Sie einen gefährlichen Stoff kaufen und ein 50-seitiges SDB mit mehreren Anhängen erhalten, sind darin höchstwahrscheinlich Expositionsszenarien enthalten. Diese Anhänge beinhalten detaillierte Beschreibungen, beispielsweise wie der Stoff in einer bestimmten Branche sicher verwendet wird und welche Schutzmaßnahmen anzuwenden sind, damit das Risiko auf einem akzeptablen Niveau bleibt.

Wichtig: Nachgeschaltete Anwender (zum Beispiel eine Fabrik, die eine bestimmte Farbe verwendet, und der Farbenhersteller hat ein Expositionsszenario für einen Lösungsmittelbestandteil beigefügt) müssen prüfen, ob ihre eigene Verwendung des Stoffs durch das beschriebene Szenario abgedeckt ist. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen sie den Lieferanten informieren oder sind verpflichtet, eine eigene Risikobeurteilung durchzuführen. Dieser Mechanismus stellt sicher, dass gefährliche Stoffe tatsächlich unter Bedingungen verwendet werden, die für diese spezifischen Verwendungen sicher sind.

Expositionsszenarien für Gemische: Die Situation wird dadurch erschwert, dass Expositionsszenarien in der Regel für einzelne Stoffe entwickelt werden, während die meisten Endanwender mit Gemischen (fertigen Produkten) umgehen. Laut Leitlinien müssen die relevanten Informationen aus den Expositionsszenarien der Komponenten in das SDB des Gemischs integriert werden.

Beispielsweise wenn ein Reinigungsprodukt ein Lösungsmittel enthält, für das ein Expositionsszenario existiert, sollten die Abschnitte 8 und 11–12 des SDB dieses Reinigungsprodukts die in dem Szenario beschriebenen Beschränkungen und Schutzmaßnahmen berücksichtigen. In der Praxis wird dies oft dadurch erreicht, dass die Expositionsszenarien der Komponenten dem SDB des Gemischs ebenfalls beigefügt werden oder dass konsolidierte Informationen daraus bereitgestellt werden. Wichtig ist, dass der Anwender alle wesentlichen Informationen erhält – unabhängig davon, ob es sich um ein SDB für einen einzelnen Stoff oder für ein Gemisch handelt.

 

Aktualisierung von SDB in der Praxis

Wir haben bereits auf die Bedeutung hingewiesen, Sicherheitsdatenblätter aktuell zu halten.

 

Hier sind einige praktische Tipps, um dies sicherzustellen:

Nachverfolgung

Etablieren Sie ein System (ggf. ein digitales Register), um die Versionen und Daten der SDB für alle in Ihrem Unternehmen verwendeten oder verkauften Materialien zu verfolgen. Überprüfen Sie regelmäßig (z.B. jährlich), ob von Ihren Lieferanten neuere Versionen verfügbar sind und ob es in Ihren eigenen Produkten Änderungen gab, die eine SDB-Aktualisierung erfordern würden.

Beobachtung der Gesetzgebung

Bleiben Sie über Änderungen im Chemikalienrecht informiert. Wenn zum Beispiel neue Gefahrenklassen in die CLP-Verordnung eingeführt oder Expositionsgrenzwerte angepasst werden, sollten die SDB überprüft werden. Ein Beispiel war die Einführung der Verordnung (EU) 2020/878, die 2021 verbindlich wurde – viele Unternehmen mussten damals ihre SDB aktualisieren, um die neuen Elemente aufzunehmen.

Integration neuer Informationen

Wenn Ihnen neue toxikologische oder ökotoxikologische Informationen zu Ihrem Produkt bekannt werden (etwa wenn sich herausstellt, dass eine Komponente langfristig schwerwiegendere Effekte hat als bislang angenommen, oder wenn ein Vorfall praktische Erkenntnisse liefert), muss das SDB entsprechend geändert werden. Eine solche Situation kann auch auftreten, wenn das Produkt einen neuen Anwendungsbereich findet – dann müssen Sie gegebenenfalls die Angaben zur Verwendung in Abschnitt 1 erweitern und die Handhabungsempfehlungen in Abschnitt 7 anpassen.

Kommunikation entlang der Lieferkette

Stellen Sie sicher, dass bei einer SDB-Aktualisierung alle betroffenen Partner tatsächlich die neue Version erhalten. Ein häufiges Problem ist, dass Updates „steckenbleiben“ und nicht alle Anwender erreichen. Es empfiehlt sich, die neue Version aktiv per E-Mail an jeden Kunden zu senden und eine Empfangsbestätigung anzufordern. Wenn Ihre SDB zum Download auf Ihrer Website zur Verfügung stehen, ist es hilfreich, dort z.B. „aktualisiert am [Datum]“ zu vermerken, um Nutzer darauf aufmerksam zu machen, dass eine neue Revision vorliegt.

 

Häufige Fehler bei der Erstellung von SDB – Worauf ist zu achten?

Selbst erfahrenen Unternehmen können in ihren Sicherheitsdatenblättern Fehler unterlaufen.

 

Hier sind einige häufige Fehler oder Lücken, die vermieden werden sollten:

Falsche oder unvollständige Einstufung

Manchmal enthält Abschnitt 2 des SDB nicht alle Gefahrenklassen oder es fehlt ein wichtiger H-Satz. Ein Beispiel: Ein Gemisch kann leichte Hautreizungen verursachen, aber im SDB fehlt die Angabe „Hautreizend Kategorie 2, H315“. Dies kann zu falschen Annahmen führen.

Lösung: Nutzen Sie stets aktuelle Einstufungsinformationen und berücksichtigen Sie die Daten der Komponenten, um die korrekte Gefahrenklassifizierung zu ermitteln.

Widersprüche zwischen Abschnitten

Ein häufiger Fehler ist, dass verschiedene Teile des SDB einander widersprechen. So könnte Abschnitt 9 angeben, das Produkt sei nicht wasserlöslich, während Abschnitt 6 empfiehlt, Verschüttungen mit Wasser abzuwaschen. Oder Abschnitt 2 zeigt, dass das Produkt nicht entzündbar ist, aber Abschnitt 5 ist formuliert, als handele es sich um einen entzündbaren Stoff. Solche Widersprüche deuten darauf hin, dass das SDB nachlässig aus Vorlagen zusammengestellt wurde.

Lösung: Prüfen Sie das SDB als Ganzes sorgfältig. Lesen Sie es nicht nur abschnittsweise, sondern auch im Hinblick auf logische Konsistenz im Gesamtbild.

Zu allgemein gehaltene Aussagen

Mitunter ist ein SDB voller generischer Phrasen, die keine konkreten Hinweise bieten. Beispiele: „Jegliche Exposition vermeiden“ oder „Geeignete Schutzausrüstung verwenden“, ohne zu spezifizieren, was „geeignet“ bedeutet. Solch vage Ratschläge sind wenig hilfreich.

Lösung: Werden Sie spezifisch – nennen Sie die genau benötigte Schutzausrüstung, die zu vermeidenden Materialien oder Bedingungen und die konkreten Schritte, die zu unternehmen sind.

Veraltete Referenzen oder Rechtsvorschriften

In manchen SDB finden sich Verweise auf alte EU-Richtlinien oder nicht mehr gültige Vorschriften, einfach weil das Datenblatt seit Jahren nicht aktualisiert wurde. So stößt man etwa noch auf die alten orangefarbenen Gefahrensymbole oder Einstufungen nach dem vor-CLP-System (DSD/DPD).

Lösung: Überprüfen Sie Ihre SDB regelmäßig und aktualisieren Sie die regulatorischen Verweise (Abschnitt 15) entsprechend der aktuellen Gesetzeslage.

Sprach- bzw. Übersetzungsfehler

Bei SDB in der jeweiligen Landessprache ist ein häufiges Problem, dass wortwörtliche Übersetzungen aus dem Englischen stehen bleiben oder ungeschickte Formulierungen verwendet werden, was das Verständnis erschwert. Beispiel: im Ungarischen „Robbanás biztos berendezés“ statt korrekt „Robbanásbiztos berendezés“ (das richtige ungarische Fachwort für „explosionsgeschütztes Gerät“). So etwas mag geringfügig erscheinen, kann aber zu Verwirrung führen.

Lösung: Lassen Sie das SDB von einer qualifizierten Fachübersetzung anfertigen und – wenn möglich – den fertigen Text von einem muttersprachlichen Experten Korrektur lesen.

 

Das SDB als Werkzeug der Arbeitssicherheit

Ein gut erstelltes Sicherheitsdatenblatt ist nicht nur ein Pflichtdokument, das im Schrank für Inspektionen aufbewahrt wird. Sein eigentlicher Wert liegt darin, dazu beizutragen, die tägliche Arbeit sicherer zu machen.

Einige Tipps, wie SDB effektiv genutzt werden können:

Sicherheitsschulungen

Nutzen Sie die Angaben im SDB, um Mitarbeiter zu schulen. Im Rahmen von Sicherheitsunterweisungen können die einschlägigen Datenblätter herangezogen, die Gefahrenpiktogramme gezeigt und die Bedeutung der H– und P-Sätze besprochen werden.

Wenn in einer Werkstatt z.B. Lösemittel verwendet werden, kann mit Hilfe des SDB erläutert werden, warum für ausreichende Lüftung zu sorgen ist und warum offenes Feuer verboten ist.

Gefährdungsbeurteilung

Betriebliche Gefährdungsbeurteilungen für den Umgang mit chemischen Stoffen basieren auf den Eigenschaften und Empfehlungen, die im SDB beschrieben sind.

Anhand der Daten in Abschnitt 8 lässt sich z.B. ermitteln, ob eine lokale Absaugung ausreichend ist oder ob Mitarbeiter zusätzlich Atemschutz benötigen. Es ist sinnvoll, die betreffenden SDB der verwendeten Gefahrstoffe der Gefährdungsbeurteilung beizufügen und deren Hinweise in der Beurteilung zu berücksichtigen.

Notfallplanung

Bei Notfall- und Gefahrenabwehrplänen (für Unfälle oder Brände) sollten stets die Erste-Hilfe- und Brandbekämpfungsangaben aus dem SDB berücksichtigt werden.

In einem Betrieb, der chemische Stoffe handhabt, kann der Notfallplan sogar als Anhang die SDB der wichtigsten gefährlichen Materialien enthalten, damit Ersthelfer oder die Feuerwehr sofort darauf zugreifen können.

Kommunikation mit Lieferanten

Wenn etwas im SDB unklar ist, zögern Sie nicht, beim Lieferanten (Hersteller) eine Klärung zu erfragen.

Über die in Abschnitt 1 des SDB angegebenen Kontaktinformationen können Sie zusätzliche Auskünfte anfordern. Falls Sie z.B. unsicher sind, welches Material oder welche Stärke für Schutzhandschuhe empfohlen wird, lohnt es sich, beim Lieferanten eine Präzisierung der Empfehlung einzuholen.

 

Fachkundige Unterstützung und Ressourcen

Bei der Erstellung und Verwaltung von Sicherheitsdatenblättern müssen Sie nicht alles alleine lösen – es gibt viele Hilfsquellen:

Offizielle Leitfäden

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) und nationale Behörden haben Leitfäden veröffentlicht (diese Artikelserie basiert tatsächlich auf einem solchen Leitfaden). Diese Leitfäden – beispielsweise der „Leitlinien zur Erstellung von Sicherheitsdatenblättern“ – bieten ausführliche Erläuterungen, Beispiele und Vorlagen. Nutzen Sie sie, wann immer Sie sich bei der Auslegung einer Anforderung unsicher sind.

Software und Vorlagen

Es sind zahlreiche kommerzielle Software-Tools erhältlich, die bei der Erstellung von SDB unterstützen. Sie enthalten Datenbanken mit regulatorischen Daten und Gefahreninformationen und können den Text automatisch in mehreren Sprachen generieren. So nützlich diese Tools sind, ersetzen sie jedoch keine menschliche Fachkenntnis. Überprüfen Sie jedes von Software erzeugte SDB stets auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Beratung durch Experten

Falls Ihr Unternehmen keinen eigenen SDB-Spezialisten hat, können Sie auf Beratungsfirmen für Chemikaliensicherheit zurückgreifen.

Ein externer Experte ist mit den neuesten Vorschriften vertraut und kann dank Erfahrung ein SDB schneller und genauer erstellen, als wenn man es ohne das nötige Know-how im eigenen Haus versucht. Dieser Ansatz lohnt sich besonders, wenn Sie mit vielen gefährlichen Stoffen arbeiten oder Produkte in mehrere Länder liefern (was SDB in mehreren Sprachen erfordert).

Behördliche und industrielle Helpdesks

In der EU gibt es das REACH-CLP-Helpdesk-Netzwerk der Behörden. An diese Helpdesks können Sie sich mit Fragen wenden, wenn Sie bezüglich einer bestimmten Anforderung unsicher sind. Darüber hinaus bieten Branchenverbände (z.B. der Chemieindustrieverband) Unterstützung und Schulungen zu diesem Thema an.

Diese fünfteilige Serie hat einen Überblick über die wichtigsten Schritte und Aspekte bei der Erstellung von Sicherheitsdatenblättern gegeben. Wir hoffen, dass die dargestellten Informationen für Hersteller, Händler und Anwender gleichermaßen nützlich sind. Wenn in Ihrem Unternehmen weiterhin Unklarheiten im Umgang mit SDB bestehen, ist es ratsam, Experten zu Rate zu ziehen.

Das ursprüngliche Leitliniendokument, auf dem unsere Artikel basieren, kann hier eingesehen werden: Leitlinien zur Erstellung von Sicherheitsdatenblättern (ECHA, 2021).

Die Erstellung eines Sicherheitsdatenblatts ist keine rein administrative Formalität, sondern eine Aufgabe, die fachliche Kompetenz erfordert. Es ist ratsam, mit einem Dienstleister oder Experten zusammenzuarbeiten, der mit den REACH- und CLP-Regeln vertraut ist und in der Lage ist, mit Änderungen Schritt zu halten.

Vielen Dank, dass Sie diese Serie verfolgt haben!

 

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